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Fallbeispiel: Raffaele wächst über sich hinaus

Als die schwangere Anna mit Übelkeit und Unwohlsein sicherheitshalber zur Kontrolle ins Spital fuhr, ahnte sie nicht, dass wenige Stunden später ihr Leben ein anderes sein würde. Doch Raffaele wollte zur Welt kommen. Und das zu früh, viel zu früh.

«Als die Ärzte mir sagten, dass das Baby kommt und zwar jetzt, konnte ich es nicht glauben,» erzählt Mutter Anna. «Ich war doch erst in der 25. Schwangerschaftswoche. Und bis zu diesem Tag lief ja auch alles ganz normal». Doch dann war er da: Raffaele. Ele, wie ihn seine Familie heute liebevoll nennt, kam sofort auf die Neonathologie, die Station für Frühgeborene. «Bereits in der ersten Woche musste Raffaele am Darm operiert werden,» erzählt Vater Carlos. Dann folgte eine Komplikation auf die nächste, eine Infektion auf die andere. «Jeden Abend, wenn wir ins Bett gingen, wussten wir nicht, ob wieder das Telefon klingeln würde und das Spital am Apparat war, um uns mitzuteilen, dass Raffaele erneut auf die Intensivstation hatte verlegt werden müssen», fährt Anna fort. Auch Raffaeles Augen mussten gelasert und seine Frühgeborenenretinopathie  – unkontrollierte Gefässwucherungen auf der Netzhaut, die hauptsächlich bei extremen Frühchen auftreten - bestmöglich korrigiert werden. Erst vier Monate nachdem er das Licht der Welt erblickt hatte, durfte das Ehepaar aus Pfäffikon ZH ihren Sohn das erste Mal mit nach Hause nehmen. Das war Ende April 2018.

Ankommen im neuen Alltag

«Anfangs wusste ich nicht, wo oben und wo unten ist», erzählt Mutter Anna. «Es war alles neu für mich. Ich musste meinen Sohn erst kennenlernen, lernen mit ihm umzugehen. Ich hatte ja schon ein Baby aufgezogen. Aber Ilenia, Raffeles ältere Schwester, war gesund. Ein krankes Baby zu haben, ist etwas ganz anderes». Raffaele entwickelte sich nur sehr langsam, drehte sich nicht, versuchte nicht, sich aufzusetzen, krabbelte nicht. Die Eltern trösteten sich damit, dass viele extrem Frühgeborene mit Entwicklungsverzögerungen zu kämpfen haben. Doch eine neurologische Abklärung zerstörte ihre Hoffnungen, dass sich mit der Zeit alles geben würde. Denn bei Raffaele wurde eine Cerebralparese, kurz CP, diagnostiziert. Eine Hirnschädigung, die zwar nicht geheilt werden kann, deren Symptome aber glücklicherweise dank gezielter Therapien gelindert und Verbesserungen erzielt werden können.

Besser als jede Prognose

Mittlerweile ist Raffaele fünf Jahre alt. Und die intensiven Therapien zeigen Wirkung. Ele kann sitzen, sich in den Stand hochziehen und ohne Hilfe stehen. Der Junge ist ständig in Bewegung. Sei es beim Wippen und Tanzen zur Musik, beim Legospielen oder mit Hilfe des Tomywalkers draussen an der frischen Luft. Aktuell besonders angesagt ist das Spezialvelo, mit dem er sich praktisch ohne Hilfe fortbewegen kann. «Ele hat’s allen gezeigt. Wir sind mega stolz auf ihn. Er schafft heute Dinge, die sämtliche Ärztinnen und Ärzte für unmöglich gehalten haben,» so Mutter Anna. Lachend fährt sie fort: «Sprechen kann Ele nicht, doch er hat seine ganz eigene Art sich mitzuteilen. Und das tut er mit Vehemenz, wenn es sein muss.»

Seit kurzem besucht Raffaele den Kindergarten. Zweimal wöchentlich hat er auch nachmittags Unterricht. Auf diese Zeit freut sich Schwester Ilenia ganz besonders. Denn dann hat sie ihre Mutter ein paar Stunden für sich. Die Ilenia-Zeit scheint beiden genauso wichtig zu sein. «Ilenia ist eine tolle grosse Schwester. Sie macht es super mit ihm,» so ihre Mutter. «Wir sind ihr sehr dankbar.»

Zuversichtlich in die Zukunft

Dankbar sind die Eltern von Raffaele auch für die breite Unterstützung, die sie seit der Geburt ihres Sohnes von allen Seiten erfahren haben. «Wir wurden von Anfang an wunderbar umsorgt,» betont Anna. «Bereits im Spital hat uns Pro Infirmis zum Beispiel geholfen, die Hilflosenentschädigung bei der IV zu beantragen. Das klingt nach wenig. Doch in einer solchen Grenzsituation hat man keinen Kopf für Papierkram.» Und Vater Carlos ergänzt: «Pro Infirmis hat uns auch geholfen, ein grösseres Auto zu kaufen, damit wir Raffaeles Hilfsmittel und eines Tages auch den grösseren Rollstuhl transportieren können.» Dankbarkeit und Demut gehen bei Anna und Carlos Hand in Hand. Sie sind sich einig: Gesundheit ist keine Selbstverständlichkeit.

Aufgrund seiner extremen Frühgeburt hat Raffaele eine starke Sehbehinderung - seine Brille misst minus 16 Dioptrien.

«Raffaele schafft heute Dinge, die sämtliche Ärztinnen und Ärzte für unmöglich gehalten haben.»

Anna, Mutter von Raffaele

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