Fürsorgerische Unterbringung

Unter allen Massnahmen des Erwachsenenschutzrechts stellt die fürsorgerische Unterbringung in einer Institution (psychiatrische Klinik, Pflegeheim) wohl den schwersten Eingriff in die persönliche Freiheit eines Menschen dar. In gewissen Fällen kann dieser Eingriff zum Schutz einer Person jedoch angebracht sein, um ihr die nötige medizinische Behandlung zukommen zu lassen und im Hinblick auf eine spätere Entlassung die erforderliche Betreuung sicherzustellen. Ziel einer fürsorgerischen Unterbringung muss aber möglichst immer auch die baldige Wiedererlangung der Selbständigkeit und Selbstverantwortung sein.  

In diesem Kapitel werden die Voraussetzungen dargelegt, unter welchen eine fürsorgerische Unterbringung angeordnet werden kann. Weiter wird beschrieben, wer diese Unterbringung anordnen kann und wie das Verfahren geregelt ist. Schliesslich zeigen wir auf, unter welchen Bedingungen Zwangsbehandlungen während eines Klinik-Aufenthaltes zulässig sind.


    Wann kann eine fürsorgerische Unterbringung angeordnet werden?

    Gemäss der gesetzlichen Definition können nur Personen, die von einer psychischen Störung oder einer geistigen Behinderung betroffen sind oder die schwer verwahrlost sind, fürsorgerisch zur Behandlung und Betreuung untergebracht werden. Aber auch bei ihnen kommt eine fürsorgerische Unterbringung nur in Frage, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

    • Sie muss einerseits geeignet sein, den Schutz der betroffenen Person selber und ihrer Umgebung sicherzustellen.
    • Sie muss nötig sein, um das Ziel zu erreichen. Keine fürsorgerische Unterbringung ist z.B. erforderlich, wenn eine Person überzeugt werden kann, sich freiwillig zur Behandlung in eine Klinik zu begeben. Ebenfalls muss dann von einer fürsorgerischen Unterbringung abgesehen werden, wenn ambulante Hilfe angeboten werden kann, ohne dass mit einer Zwangsmassnahme in die Persönlichkeitsrechte eingegriffen werden muss.

    Beim Entscheid über die Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung muss immer eine umfassende Interessenabwägung zwischen dem Interesse der Person an persönlicher Freiheit und dem Interesse an ihrem Schutz und jenem der Umgebung vorangehen. Hierbei ist insbesondere auch die Belastung und der Schutz der Angehörigen mit zu berücksichtigen.

    Die fürsorgerische Unterbringung darf als freiheitsentziehende Massnahme nur so lange aufrechterhalten werden, als die genannten zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Sobald diese entfallen, muss die betroffene Person wieder entlassen werden. Sie selber sowie ihr nahestehende Personen (Familienangehörige, Partner) können jederzeit um Entlassung ersuchen, worauf ohne Verzug über das Gesuch entschieden werden muss.

    Beispiel

    Frau L hat zunehmend depressive Episoden. Zudem trinkt sie exzessiv. Sie verlässt ihre Wohnung kaum noch, erledigt ihre administrativen Angelegenheiten nicht und lässt den Haushalt verwahrlosen. Sie beschimpft und bedroht ihre Nachbarn, sobald sich diese über Unordnung und Gestank beschweren. Die Behörde muss in diesem Fall in einem Gespräch abklären, ob Frau L motiviert werden kann, zu ambulanten Hilfestellungen Hand zu bieten und ob mit der Errichtung einer Beistandschaft die Probleme entschärft werden können. Erweist sich dies nicht als möglich und nehmen die Drohungen an die Nachbarschaft ein ernsthaftes Ausmass an, so muss eine fürsorgerische Unterbringung erwogen werden.

    Wer darf eine fürsorgerische Unterbringung anordnen?

    Eine fürsorgerische Unterbringung wird grundsätzlich durch die kantonal zuständige Erwachsenenschutzbehörde angeordnet, welche als Fachbehörde zusammengesetzt ist. Es ist also dieselbe Behörde, die auch für die Errichtung von Beistandschaften zuständig ist.

    Neben der Erwachsenenschutzbehörde können auch Ärzte und Ärztinnen eine fürsorgerische Unterbringung anordnen. In den meisten Kantonen haben alle Ärzte und Ärztinnen dieses Recht, in einzelnen Kantonen jedoch nur einige von ihnen. Wenn ein Arzt oder eine Ärztin eine fürsorgerische Unterbringung anordnet, darf dies nur nach vorheriger persönlicher Untersuchung geschehen. Zudem ist eine solche Unterbringung von Gesetzes wegen zeitlich beschränkt: Die Kantone legen die entsprechenden Fristen fest, wobei sie nicht über sechs Wochen hinausgehen dürfen. Ärztlich angeordnete Unterbringungen fallen automatisch dahin, wenn die Frist abläuft, ohne dass die Erwachsenenschutzbehörde einen vollstreckbaren Entscheid getroffen hat.

    Beispiel

    Herr D hat schon seit einiger Zeit Wahnvorstellungen. Nun hat er seine Mutter mit einem Messer bedroht, worauf diese den Psychiater von Herrn D avisiert. Dieser kommt vorbei, macht sich ein Bild von der Situation und gelangt zum Ergebnis, dass weitere Gewaltakte nicht auszuschliessen sind. Er versucht Herrn D zu überzeugen, in eine Klinik einzutreten. Wenn ihm dies nicht gelingt, kann der Psychiater die Unterbringung in die psychiatrische Klinik anordnen.

    Schliesslich kann die ärztliche Leitung einer Klinik eine Person mit einer psychischen Störung, die vorerst freiwillig in die Klinik eingetreten ist, nun aber diese wieder verlassen will, für höchstens drei Tage gegen ihren Willen zurückbehalten. Sie darf dies nur tun, wenn die betroffene Person sich selbst an Leib und Leben gefährdet oder andere ernsthaft gefährdet. Nach Ablauf von drei Tagen kann die betroffene Person die Klinik wieder verlassen, es sei denn, es liege bis dann ein vollstreckbarer Unterbringungsentscheid der Erwachsenenschutzbehörde vor.

    Wann sind Zwangsbehandlungen zulässig?

    Auch im Fall einer fürsorgerischen Unterbringung gilt der Grundsatz, dass in der Regel eine Behandlung nicht ohne Zustimmung der betroffenen Person durchgeführt werden darf. Ist die Person urteilsunfähig, muss die vom Gesetz vorgesehene Vertretung die Zustimmung erteilen.

    Bei psychischen Störungen verhält es sich im Grund nicht anders: Das Gesetz schreibt vor, dass die behandelnden Ärztinnen und Ärzte unter Beizug der betroffenen Person (und gegebenenfalls der von ihr bezeichneten Vertrauensperson) einen Behandlungsplan erstellen müssen. Sie haben die betroffene Person und ihre Vertrauensperson über die Gründe, den Zweck, die Modalitäten, Risiken und Nebenwirkung der vorgesehenen Behandlung zu informieren. Sie müssen alternative Behandlungsmöglichkeiten aufzeigen und darauf hinweisen, mit welchen Folgen bei einer Unterlassung der Behandlung zu rechnen ist. Nach erfolgter Information muss der Behandlungsplan der betroffenen Person zur Zustimmung unterbreitet werden.  

    Wird die Zustimmung verweigert, kann der Chefarzt oder die Chefärztin der Abteilung die vorgesehenen medizinischen Massnahmen zwangsweise anordnen, allerdings nur,

    • wenn ohne die Behandlung ein ernsthafter gesundheitlicher Schaden droht oder die körperliche Integrität bzw. das Leben von Dritten ernsthaft gefährdet ist
    • die betroffene Person bezüglich ihrer Behandlungsbedürftigkeit urteilsunfähig ist
    • und keine angemessene Massnahme zur Verfügung steht, welche weniger einschneidend ist
       

    In eigentlichen Notfallsituationen können die zum Schutz der betroffenen Person oder Dritter unerlässlichen medizinischen Massnahmen sofort ergriffen werden, ohne das oben genannte Prozedere einzuhalten. Auch in diesen Fällen ist der Wille der betroffenen Person soweit zu berücksichtigen, wie er bekannt ist und das Behandlungsziel dies erlaubt.  

    Was die bewegungseinschränkenden Massnahmen (Fixierung, Isolierung) betrifft, gelten bei einer fürsorgerischen Unterbringung dieselben Grundsätze wie bei einem Heimaufenthalt urteilsunfähiger Menschen: Solche Massnahmen sind zulässig zur Abwendung einer Gefahrensituation und bei schwerwiegender Störung der Gemeinschaftsordnung. Sie sind aber auf Situationen zu beschränken, bei denen die unmittelbare Gefahr einer Eskalation vermieden werden muss, nicht aber z.B. schon bei mehreren Verstössen gegen die Hausordnung.

    Welche Rechte hat die betroffene Person?

    Eine fürsorgerische Unterbringung gegen den Willen einer Person löst regelmässig Ohnmachtsgefühle aus. Betroffene fühlen sich wehrlos ausgeliefert. Um diese Situation zu entschärfen, sieht das Gesetz vor, dass jede Person, die in einer Einrichtung untergebracht wird, eine Vertrauensperson beiziehen kann, die sie während des Aufenthalts und bis zum Abschluss aller damit zusammenhängender Verfahren unterstützt.

    Das Verfahren bei Auseinandersetzungen wird von den Kantonen geregelt: Jeder Kanton hat ein Gericht bezeichnet, welches zur Beurteilung von Beschwerden gegen die Beschlüsse der Erwachsenenschutzbehörde zuständig ist. Aber nicht nur die Entscheide der Behörde können angefochten werden, sondern auch Beschlüsse der Ärzteschaft und der Einrichtungen. So kann gegen eine ärztlich angeordnete Unterbringung oder einen Zurückbehaltungsentscheid einer psychiatrischen Klinik innert 10 Tagen eine Beschwerde beim kantonal zuständigen Gericht eingereicht werden. Dasselbe gilt bei Abweisung eines Entlassungsgesuchs durch eine Klinik oder eine andere Einrichtung. Und schliesslich kann auch der Entscheid über die Durchführung einer Zwangsbehandlung innert 10 Tagen beim Gericht angefochten werden.

    Beispiel

    Frau S ist nach einem psychotischen Schub von ihrem Arzt in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden, wo sie seit 3 Wochen medikamentös und psychotherapeutisch betreut wird. Frau S findet, dass sie nun wieder nach Hause entlassen werden kann, und stellt ein entsprechendes Entlassungsgesuch. Die Ärzte lehnen das Gesuch ab, weil sie der Auffassung sind, dass Frau S noch zu wenig stabilisiert ist und ein rascher Rückfall droht.
    Frau S kann die Abweisung des Entlassungsgesuchs innert 10 Tagen beim zuständigen kantonalen Gericht anfechten. Weil sie nicht sicher ist, ob und wie sie dies tun soll, zieht sie zum Zwecke der Beratung und Unterstützung einen Verwandten, der mit rechtlichen Fragen vertraut ist, als Vertrauensperson bei und bespricht mit ihm die Chancen und Risiken einer gerichtlichen Anfechtung.

    Rechtliche Grundlagen

    Fussbereich

    nach oben