Betreuungsentschädigung für Eltern

Damit die Pflege von gesundheitlich beeinträchtigten Angehörigen besser mit der beruflichen Tätigkeit vereinbart werden kann, wurde Ende 2019 das Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung verabschiedet. Dieses Gesetz beinhaltet mehrere Gesetzesänderungen in unterschiedlichen Bundesgesetzen.

In diesem Kapitel beleuchten wir die am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Änderungen im Obligationenrecht (OR) und im Erwerbsersatzgesetz (EOG). Dadurch haben Eltern, die ihre Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise unterbrechen, um ihr gesundheitlich schwer beeinträchtigtes Kind zu betreuen, Anspruch auf einen Betreuungsurlaub und auf eine über die Erwerbsersatzordnung finanzierte Betreuungsentschädigung von maximal 14 Wochen.


    Wer hat Anspruch auf eine Betreuungsentschädigung?

    Anspruch auf die Betreuungsentschädigung haben Arbeitnehmende, selbstständig Erwerbende, im Betrieb des Ehegatten Mitarbeitende mit einem Barlohn sowie Bezügerinnen und Bezüger von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung. Ebenfalls anspruchsberechtigt sind arbeitsunfähige Mütter oder Väter, die ein IV-Taggeld oder ein Taggeld einer Sozial- oder Privatversicherung wegen Krankheit oder Unfall beziehen. Auch wer noch in einem Arbeitsverhältnis steht, aber keinen Lohn mehr erhält, weil die Ansprüche auf Lohnfortzahlung oder Taggeldleistungen ausgeschöpft sind, ist anspruchsberechtigt.

    Beispiel

    Das Ehepaar A hat zwei Töchter. Die 8-jährige Tochter M stammt aus der 1. Ehe von Herrn A. Nach einem schweren Verkehrsunfall unterbricht Frau A ihre Erwerbstätigkeit, damit sie M betreuen kann. Als Stiefelternteil hat Frau A nur dann Anspruch auf eine Betreuungsentschädigung, wenn entweder Herr A oder die leibliche Mutter von M vollständig auf ihren Anspruch verzichten.

    Betreuungsurlaub und Betreuungsentschädigung setzen ein Eltern-Kind-Verhältnis voraus. Der Zivilstand der Eltern ist nicht relevant. Pflegeeltern sind ebenfalls anspruchsberechtigt, wenn sie das Pflegekind zur dauernden Pflege und Erziehung aufgenommen haben. Kehrt das Pflegekind zu einem Elternteil zurück, erlischt der Anspruch der Pflegeeltern. Auch Stiefelternteile haben einen Anspruch auf einen Betreuungsurlaub und eine Betreuungsentschädigung, wenn sie mit dem Elternteil, unter dessen elterlicher Sorge und Obhut das Kind steht, einen gemeinsamen Haushalt führen und sich in angemessener Weise an der Pflege und Erziehung des Kindes beteiligen. Zudem muss ein Elternteil vollständig auf seinen Anspruch verzichten, sofern das Kindsverhältnis zu beiden Elternteilen besteht.

    Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

    Betreuungsurlaub und Betreuungsentschädigung setzen voraus, dass ein minderjähriges Kind wegen Krankheit oder Unfall schwer beeinträchtigt ist, und dass die Eltern ihre Erwerbstätigkeit für dessen Betreuung unterbrechen. Als gesundheitlich schwer beeinträchtigt gilt ein Kind, wenn

    • eine einschneidende Veränderung des körperlichen oder psychischen Zustandes eingetreten ist,
    • der Verlauf oder der Ausgang dieser Veränderung schwer vorhersehbar ist oder das Risiko einer bleibenden oder zunehmenden Beeinträchtigung besteht oder gar mit dem Tod zu rechnen ist,
    • ein erhöhter Bedarf an Betreuung durch die Eltern besteht und
    • mindestens ein Elternteil die Erwerbstätigkeit für diese Betreuung unterbrechen muss.

    Als einschneidende Veränderung des körperlichen oder psychischen Zustandes gilt in erster Linie der Eintritt einer akuten Krankheitssituation. Aber auch eine akute Verschlechterung des Gesundheitszustandes eines chronisch erkrankten Kindes ist relevant. Auch relevant ist eine schleichende Verschlechterung des Gesundheitszustandes, die ab einer gewissen Intensität eine Betreuung erfordert. Neben der engen Betreuung durch einen Elternteil, kann der erhöhte Bedarf an Betreuung auch durch Beistehen bei Besprechungen und Behandlungen sowie bei Arzt- oder Spitalbesuchen gegeben sein. Die Betreuungs- und Pflegebedürftigkeit muss erheblich und fortdauernd sowie durch ein ärztliches Attest ausgewiesen sein.

    Beim Beginn des Unterbruchs der Erwerbstätigkeit darf das Kind das 18. Altersjahr noch nicht vollendet haben. Die Betreuungsentschädigung endet aber nicht vorzeitig, wenn das Kind während der 18-monatigen Rahmenfrist für den Leistungsbezug volljährig wird.

    Beispiel

    Der 12-jährige Sohn von Frau T ist beim Klettern ausgerutscht und vom Baum gefallen. Dabei hat er sich einen Beinbruch zugezogen. Frau T ist alleinerziehend und möchte nun für ihren Sohn da sein. Sie fragt sich, ob sie nun einen Betreuungsurlaub mit Betreuungsentschädigung beziehen kann. Da der Beinbruch ihres Sohnes nicht als gesundheitlich schwere Beeinträchtigung gilt, hat Frau T weder Anspruch auf einen Betreuungsurlaub noch auf eine Betreuungsentschädigung. Sie hat aber die Möglichkeit einen Kurzurlaub für Arbeitnehmende in Anspruch zu nehmen. Dauert ihre Abwesenheit länger als drei Tage kann sie sich für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflicht auf die Bestimmungen zur Lohnfortzahlung bei kurzen Abwesenheiten berufen, bis sie eine Ersatzlösung gefunden hat.

    Der Anspruch auf eine Betreuungsentschädigung besteht pro Krankheits- oder Unfallereignis. Erkrankt ein Kind an einer anderen schweren Krankheit, entsteht erneut ein Anspruch. Ebenfalls als neues Krankheitsereignis gilt ein Rückfall nach einer längeren beschwerdefreien Zeit. Kein neuer Anspruch besteht hingegen bei Krankheiten, die mit der Hauptkrankheit im Zusammenhang stehen.

    Wird ein Kind mit einer schweren Krankheit geboren, so entsteht kein Anspruch auf eine Betreuungsentschädigung. In diesem Fall hat die Mutter Anspruch auf eine Mutterschaftsentschädigung und der Anspruch auf eine Betreuungsentschädigung entsteht bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen erst im Anschluss an die Mutterschaftsentschädigung.

    Wie wird die Betreuungsentschädigung geltend gemacht und ausbezahlt?

    Die Betreuungsentschädigung wird nicht automatisch ausbezahlt, sondern muss bei der zuständigen Ausgleichskasse beantragt werden. Bei angestellten Elternteilen reicht der Arbeitgeber die Anmeldung ein. Angestellte Eltern müssen ihre Arbeitgeber deshalb so früh als möglich darüber informieren, wann und wie sie den Betreuungsurlaub beziehen und gegebenenfalls untereinander aufteilen möchten. Bei arbeitslosen Personen mit einem Taggeld der Arbeitslosenversicherung und bei arbeitsunfähigen Personen mit einem IV-Taggeld kann die Anmeldung durch den Versicherungsträger vorgenommen werden. In allen anderen Fällen meldet sich der Elternteil selbst bei der Ausgleichskasse an.

    Die Ausgleichskasse ist an das ärztliche Attest gebunden, welches eine schwere gesundheitliche Beeinträchtigung bescheinigt. Sie muss also nicht selbst überprüfen, ob die medizinischen Voraussetzungen erfüllt sind.

    Die Betreuungsentschädigung beginnt am Tag des Unterbruchs der Erwerbstätigkeit und ist innerhalb einer Rahmenfrist von 18 Monaten ab Erstausrichtung zu beziehen. Die Eltern haben insgesamt einen Anspruch auf 14 Wochen Betreuungsurlaub und auf 98 Taggelder Betreuungsentschädigung. Sie können den Urlaub und die Entschädigung frei unter sich aufteilen, d.h. sie können den Urlaub separat oder gleichzeitig sowie wochen- oder tageweise beziehen. Da auch an freien Tagen (beispielsweise Samstage und Sonntage) ein Entschädigungsanspruch besteht, entspricht der Maximalanspruch von 98 Taggeldern (14 Wochen à 7 Wochentage) 70 Urlaubstagen (14 Wochen à 5 Arbeitstage).

    Das Taggeld beträgt 80% des durchschnittlichen AHV-pflichtigen Bruttoeinkommens, welches vor Anspruchsbeginn erzielt wurde, höchstens jedoch 196 Franken pro Tag. Während dem Bezug der Betreuungsentschädigung werden grundsätzlich keine anderen Taggelder ausgerichtet und die Betreuungsentschädigung geht den Taggeldern der Arbeitslosen-, Invaliden-, Kranken- und Unfallversicherung vor. In diesen Fällen entspricht die Betreuungsentschädigung dem zuvor ausgerichteten Taggeld.

    Ist der Elternteil angestellt und zahlt der Arbeitgeber während des Betreuungsurlaubs weiterhin einen Lohn aus, der mindestens der Höhe der Betreuungsentschädigung entspricht, wird die Entschädigung direkt dem Arbeitgeber ausbezahlt. In allen anderen Fällen erfolgt die Auszahlung direkt an den betreuenden Elternteil.

    Beim Bezug eines Betreuungsurlaubs mit einer Betreuungsentschädigung besteht für Arbeitnehmende während längstens sechs Monaten ab dem ersten Urlaubstag ein Kündigungsschutz. Zudem dürfen die Ferien nicht gekürzt werden, wenn Eltern einen Betreuungsurlaub beziehen.

    Beispiel

    Frau B und Herr D sind ein Paar und haben eine einjährige Tochter und einen vierjährigen Sohn mit Epilepsie. Plötzlich treten beim Sohn häufigere und schwerere epileptische Anfälle auf und er benötigt engmaschige Betreuung. Für die notwendige Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit steht den Eltern innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten ein Betreuungsurlaub von maximal 14 Wochen zu. Nachdem sie entschieden haben, wer die Betreuung wann übernehmen wird, informieren sie ihre Arbeitgeber. Unter Beilage des ärztlichen Attestes stellen diese bei der zuständigen Ausgleichskasse ein Gesuch um Ausrichtung einer Betreuungsentschädigung.

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