Vergütung von Kosten der Pflege, Betreuung und Hilfe zu Hause durch die Ergänzungsleistungen

Ergänzungsleistungen sollen Menschen finanziell unterstützen, die wegen Lücken im übrigen Versicherungssystem ihre existentiellen Bedürfnisse nicht decken können. Diese (subsidiäre) Auffangfunktion gelangt auch im Bereich der Finanzierung von behinderungsbedingter Assistenz zur Anwendung: Dort wo z.B. der neu eingeführte Assistenzbeitrag nicht weiterhilft (Betreuung durch Familienmitglieder), kann unter Umständen eine Finanzierung über die Ergänzungsleistungen sichergestellt werden.  

Ergänzungsleistungen stehen allerdings nicht allen Menschen zu: Keinen Anspruch haben Minderjährige, die lediglich eine Hilflosenentschädigung der IV beziehen. Auch wenn das Einkommen zu hoch ist oder wenn ein beträchtliches Vermögen vorliegt, fallen Ergänzungsleistungen als Zusatzhilfe ausser Betracht. In diesem Kapitel zeigen wir auf, welche Leistungen der Pflege, Betreuung und Hilfe zu Hause unter welchen Voraussetzungen von den Ergänzungsleistungen finanziert werden können.


    Wer hat Anspruch auf Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten durch die EL?

    Alle Personen, die eine jährliche Ergänzungsleistung beziehen, können die anfallenden ungedeckten Krankheits- und Behinderungskosten zur Vergütung einreichen.

    Wer zwar die allgemeinen Voraussetzungen für den Bezug einer Ergänzungsleistung (Bezug einer Rente, einer Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes während mindestens 6 Monaten; Wohnsitz in der Schweiz; Mindestaufenthalt von 10 Jahren bei gewissen Staatsangehörigen) erfüllt, jedoch wegen eines Einnahmenüberschusses (anrechenbare Einnahmen sind höher als anrechenbare Ausgaben) keine jährliche Ergänzungsleistung bezieht, hat dann Anspruch auf Vergütung der Krankheits- und Behinderungskosten, wenn und soweit sie den Einnahmenüberschuss übersteigen.

    Beispiel

    Frau S hat sich vor einem Jahr zum Bezug von Ergänzungsleistungen angemeldet. Die EL-Berechnung hat bei ihr anrechenbare Einnahmen von 37'000 Franken und anrechenbare Ausgaben von 35'000 Franken (und damit einen Einnahmenüberschuss von 2'000 Franken) ergeben. Das Gesuch um eine jährliche Ergänzungsleistung ist deshalb abgewiesen worden.
    Frau S musste sich nun einer zahnärztlichen Behandlung unterziehen, welche 2'500 Franken gekostet hat. Sie kann nun diese Rechnung einreichen. Die zuständige Ausgleichskasse wird den Einnahmenüberschuss abziehen und 500 Franken vergüten.

    Vergütung nur für Kosten, die anderweitig nicht gedeckt sind

    Die Ergänzungsleistungen vergüten nur Krankheits- und Behinderungskosten, soweit diese nicht von einer anderen Versicherung (Krankenversicherung, Unfallversicherung, IV) übernommen werden müssen. Deshalb müssen die Rechnungen von Spitex-Organisationen und anerkannten Pflegefachpersonen immer zuerst an die Krankenversicherung (resp. bei unfallbedingter Pflege an die Unfallversicherung und bei Geburtsgebrechen an die IV) eingereicht werden. Erst wenn deren Abrechnung vorliegt, kann für den ungedeckten Restbetrag eine Vergütung über die Ergänzungsleistungen verlangt werden.

    Ob eine Hilflosenentschädigungoder ein Assistenzbeitrag bei zu Hause wohnenden Personen angerechnet oder ausser Acht gelassen wird, ist kantonal unterschiedlich geregelt. Einige Kantone rechnen die Hilflosenentschädigung und den Assistenzbeitrag an, andere verzichten darauf. Wenn eine Person allerdings im Zusammenhang mit hohen Kosten von Pflege und Betreuung eine Kostenvergütung von mehr als 25'000 Franken pro Jahr beansprucht, dann müssen die Hilflosenentschädigung und der Assistenzbeitrag in jedem Fall angerechnet werden, d.h. es werden nur die Kosten vergütet, die nicht bereits über die Hilflosenentschädigung gedeckt sind.

    Beispiel

    Herr B bezieht eine Hilflosenentschädigung für mittelschwere Hilflosigkeit von jährlich Fr. 14'220.-. Er reicht für das vergangene Jahr Pflege- und Betreuungskosten von insgesamt Fr. 36'000.- zur Vergütung ein. Herr B wohnt in einem Kanton, in dem die Hilflosenentschädigung nur angerechnet wird, wenn eine Person eine Vergütung von mehr als Fr. 25'000.- beansprucht. Die kantonale EL-Stelle wird Herrn B in diesem Fall nur Fr. 25'000.- vergüten; denn für eine höhere Vergütung müsste die Hilflosenentschädigung angerechnet werden, was einen geringeren Betrag ergeben würde.

    Maximale jährliche Vergütung

    Es gelten überall in der Schweiz dieselben Ansätze. Pro Jahr können höchstens die folgenden Beträge für Krankheits- und Behinderungskosten vergütet werden:

    • 25'000 Franken für Alleinstehende, verwitwete Personen sowie Ehegatten von in Heimen oder Spitälern lebenden Personen
    • 50'000 Franken für Ehepaare
    • 10'000 Franken für Vollwaisen
    • 6'000 Franken für in Heimen und Spitälern lebende Personen

    Diese Vergütungsgrenzen erhöhen sich bei Personen, die eine Hilflosenentschädigung der IV und der Unfallversicherung für mittlere und schwere Hilflosigkeit beziehen; und zwar dann, wenn die Kosten der Pflege und Betreuung, die durch die Hilflosenentschädigung nicht gedeckt sind, den Betrag von 25'000 Franken im Jahr überschreiten. Es gelten dann folgende maximale jährliche Vergütungsbeträge:

    • 90'000 Franken für Alleinstehende mit einer schweren Hilflosigkeit
    • 60'000 Franken für Alleinstehende mit einer mittelschweren Hilflosigkeit
    • 115'000 Franken bei einem Ehepaar, wenn ein Ehegatte in schwerem Grad hilflos ist
    • 180'000 Franken bei einem Ehepaar, wenn beide Ehegatten in schwerem Grad hilflos sind
    • 85'000 Franken bei einem Ehepaar, wenn ein Ehegatte in mittlerem Grad hilflos ist
    • 120'000 Franken bei einem Ehepaar, wenn beide Ehegatten in mittlerem Grad hilflos sind
    • 150'000 Franken, wenn ein Ehegatte in schwerem, der andere in mittlerem Grad hilflos ist.

    Diese erhöhten Ansätze gelten auch für Personen, die eine Hilflosenentschädigung der AHV beziehen, falls sie zuvor eine solche der IV bezogen haben.

    Welche Kosten müssen von den EL vergütet werden?

    Grundsätzlich ist es Sache der Kantone zu bestimmen, welche „Krankheits- und Behinderungskosten“ unter welchen Bedingungen von den Ergänzungsleistungen vergütet werden müssen. Die Kantone verfügen diesbezüglich über einen grossen Gestaltungsspielraum. Um einen gewissen gesamtschweizerischen Minimalstandard sicherzustellen hat der Bundesgesetzgeber aber immerhin festgelegt, welche Kategorien von Krankheits- und Behinderungskosten von den Kantonen im Rahmen der Ergänzungsleistungen zu vergüten sind.

    Es sind dies die Kosten für

    • die zahnärztliche Behandlung
    • die Hilfe, Pflege und Betreuung zu Hause
    • die Hilfe, Pflege und Betreuung in Tagesstrukturen
    • ärztlich angeordnete Bade- und Erholungskuren
    • eine medizinisch notwendige Diät
    • die Transporte zur nächstgelegenen Behandlungsstelle
    • gewisse Hilfsmittel und
    • die Kostenbeteiligung (Franchise, Selbstbehalt von 10%) in der Krankenversicherung

    Kantonale Regelungen: Einige Hinweise

    Es ist im Rahmen dieses Textes nicht möglich, die Regelungen in den 26 Kantonen der Schweiz darzustellen. Wer mehr darüber erfahren möchte, kommt nicht darum herum, die entsprechenden kantonalen Verordnungen zu lesen. Die kantonalen Stellen von Pro Infirmis können ebenfalls weiter helfen.

    Was die Kosten der Pflege, Betreuung und Hilfe zu Hause betrifft, so gibt es immerhin in vielen Kantonen ähnliche Regelungen, auf die an dieser Stelle hingewiesen werden kann:  

    In den meisten Kantonen werden die von Spitex-Organisationen in Rechnung gestellten Kosten vergütet, soweit sie nicht von der Krankenversicherung übernommen werden müssen. Das betrifft in erster Linie die Kosten für die Hilfe im Haushalt. Werden Haushalthilfen im Rahmen eines Arbeitsvertrags privat angestellt, so vergüten viele Kantone diese Kosten bis zu einer gewissen Grenze (z.B. 4'800 Franken pro Jahr), in der Regel aber nur, wenn die Haushalthilfe nicht im gleichen Haushalt lebt.

    Wird die Pflege und Betreuung einer gesundheitlich beeinträchtigten Person von Familienangehörigen erbracht, so sehen die meisten Kantone die Möglichkeit einer Vergütung der Arbeit vor, wenn diese Familienangehörigen nicht (wie z.B. Ehegatten) in die EL-Berechnung eingeschlossen sind und wenn sie darlegen können, dass sie wegen der Pflege und Betreuung einen Erwerbsausfall erleiden.

    Beispiel

    Herr T ist 28-jährig und lebt bei seinen Eltern. Er bezieht eine Hilflosenentschädigung für schwere Hilflosigkeit und ist auf intensive Assistenz angewiesen. Diese wird zum grössten Teil von seiner Mutter rund um die Uhr erbracht. Seine Mutter konnte ihre frühere Erwerbstätigkeit im Gesundheitswesen deswegen nie mehr wieder aufnehmen.      
    Weil die sie als Folge der Pflege, Betreuung und Hilfe einen Erwerbsausfall erleidet, hat Herr T in den meisten Kantonen Anspruch auf Vergütung der Entschädigung, die er seiner Mutter für ihre Arbeit bezahlt, und zwar maximal bis zur Höhe des glaubhaft gemachten Erwerbsausfalls.

    Etwas zurückhaltend sind viele Kantone bezüglich der Übernahme der Kosten für arbeitsvertraglich angestellte Pflegekräfte. Meistens erlauben sie eine solche Vergütung nur in Fällen, in denen eine Person mindestens in mittlerem Grad hilflos ist. Zudem werden die Kosten vielfach nur dann übernommen, wenn der Hilfsbedarf derart intensiv ist, dass er nicht von Spitex-Organisationen abgedeckt werden kann. Unterschiedlich sind die von den Kantonen gestellten fachlichen Anforderungen an solche Pflegepersonen und das Verfahren zur Überprüfung des Pflegebedarfs.

    Von der Geltendmachung bis zur Auszahlung

    Krankheits- und Behinderungskosten müssen innert 15 Monaten seit der Rechnungstellung bei der EL-Stelle zur Vergütung eingereicht werden.

    Muss noch eine Abrechnung der Krankenkasse abgewartet werden, so beginnt die 15-monatige Frist mit dem Erhalt der Abrechnung zu laufen. Es können allerdings immer nur Kosten vergütet werden, die in einem Zeitabschnitt entstanden sind, während dem die allgemeinen Voraussetzungen zum Bezug von Ergänzungsleistungen (Bezug einer Rente, Hilflosenentschädigung oder eines Taggeldes der IV, Wohnsitz in der Schweiz) erfüllt gewesen sind.  

    Wird die Anmeldung für eine jährliche Ergänzungsleistung innert sechs Monaten seit der Verfügung über eine AHV- oder IV-Rente eingereicht und wird die jährliche Ergänzungsleistung in der Folge rückwirkend zugesprochen, so beginnt die 15-monatige Frist zur Geltendmachung von Krankheits- und Behinderungskosten erst mit dem Datum der EL-Verfügung zu laufen.

    Beispiel

    Frau S hat mit Verfügung vom April 2021 rückwirkend ab Dezember 2019 eine Invalidenrente zugesprochen erhalten. Sie reicht im August 2021, also innert sechs Monaten nach der IV-Verfügung, eine Anmeldung zum Bezug von Ergänzungsleistungen ein. Diese werden ihr mit Verfügung vom Dezember 2021 rückwirkend ab Dezember 2019 zugesprochen.      
    Frau S hat nun bis März 2023 (15 Monate seit Dezember 2021) Zeit, um die Krankheits- und Behinderungskosten, die seit Dezember 2019 angefallen sind, einzureichen. Die Zahnarztrechnung vom April 2019 kann über die Ergänzungsleistungen jedoch nicht mehr vergütet werden.

    Die Vergütung der Krankheits- und Behinderungskosten wird in der Regel der Ergänzungsleistung beziehenden Person direkt ausgezahlt. Die Kantone können aber vorsehen, dass in Rechnung gestellte Kosten, welche noch nicht bezahlt sind, direkt dem Rechnungssteller oder der Rechnungsstellerin vergütet werden.

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