Arbeitsunfähigkeit während eines Arbeitsverhältnisses

Nimmt die Leistungsfähigkeit während eines Arbeitsverhältnisses ab und wird eine Person ganz oder teilweise arbeitsunfähig, so stellen sich verschiedene Fragen: Wann leistet eine Kranken-Taggeldversicherung Lohnersatz? Wie lange muss der Lohn vom Arbeitgeber weiter bezahlt werden? Ist es sinnvoll, sich schon nach kurzer Zeit bei der IV anzumelden? Und wie soll reagiert werden, wenn der Arbeitgeber eine Anpassung des Arbeitsverhältnisses vorschlägt?  

Dieses Kapitel behandelt Lohnansprüche und Lohnersatzansprüche bei gesundheitlich bedingter Arbeitsunfähigkeit und gibt Ratschläge, was bei Leistungsreduktionen zu beachten ist und wie im Einzelfall am besten vorzugehen ist.


    Freiwillige Reduktion des Arbeitspensums

    Wenn die Belastung am Arbeitsplatz aufgrund von gesundheitlichen Problemen zu gross wird, kann eine Reduktion des Arbeitspensums Abhilfe schaffen. Viele Personen entscheiden sich zu einer solchen freiwilligen Reduktion des Arbeitspensums, um ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen einerseits Rechnung zu tragen und andererseits ihre bisherige Stelle nicht zu gefährden. Das ist – gerade in fortgeschrittenem Alter – oft ein vernünftiger Weg, sofern der Arbeitgeber sich mit dieser Reduktion einverstanden erklärt und die Lohneinbusse tragbar bleibt.

    Eine freiwillige Reduktion des Arbeitspensums ist aber problematisch, wenn die Einkommensverhältnisse knapp sind und der teilweise Lohnausfall zu existentiellen Schwierigkeiten führt. In diesen Fällen sollte die betroffene Peson ernsthaft prüfen, ob sie sich nicht besser von ihrem Arzt als teilarbeitsunfähig schreiben lässt. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Krankentaggeldversicherung oft erst ab einem bestimmten Grad der Arbeitsunfähigkeit (z.B. 25%) Taggelder ausbezahlt.  

    Problematisch ist eine freiwillige Reduktion des Pensums auch im Hinblick auf eine eventuelle spätere Verschlechterung des Gesundheitszustands und den Eintritt einer eigentlichen Invalidität; denn die Invalidität von Menschen, die freiwillig nur ein Teilpensum bekleiden, wird in der IV nach der gemischten Methode bemessen, welche sich nachteilig auswirkt (vgl. hierzu die Ausführungen im Kapitel „Invalidität: Begriff und Bemessung“). Hinzu kommt, dass im Falle einer späteren Invalidität auch in der beruflichen Vorsorge geringere Leistungen resultieren. Um diese negativen Auswirkungen zu verhindern, sollte der behandelnde Arzt zumindest in seiner Krankengeschichte ausdrücklich festhalten, dass die Pensumsreduktion von ihm aus gesundheitlichen Gründen empfohlen worden ist.

    Beispiel

    Frau W arbeitet zu 100% in einem Spital als Krankenpflegerin. Sie leidet in zunehmendem Ausmass an den Folgen einer Arthrose in den Kniegelenken. Frau W entschliesst sich nach Rücksprache mit ihrem Arzt, das Arbeitspensum auf 80% zu reduzieren. Sie bespricht ihren Wunsch mit dem Arbeitgeber, der sich mit einer Reduktion des Arbeitspensums einverstanden erklärt und zudem bereit ist, seiner langjährigen Mitarbeiterin teilweise administrative Aufgaben zu übertragen, die sie in sitzender Position verrichten kann.      
    Der Arzt von Frau W attestiert keine 20%-Arbeitsunfähikeit zuhanden des Taggeldversicherers. Dies würde auch keinen Sinn machen, da die betriebliche Taggeldversicherung erst ab einer Arbeitsunfähigkeit von 25% Leistungen erbringt. Hingegen hält er in seiner Krankengeschichte fest, dass die Reduktion des Arbeitspensums aus medizinischen Gründen zwingend angezeigt gewesen ist.

    Wann liegt eine Arbeitsunfähigkeit vor?

    Unter einer „Arbeitsunfähigkeit“ versteht man die durch eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit bedingte volle oder teilweise Unfähigkeit, im bisherigen Beruf zumutbare Arbeit zu leisten.

    Eine Arbeitsunfähigkeit muss immer von einem Arzt oder einer Ärztin bestätigt werden. In der Regel muss das entsprechende Attest spätestens nach 3 Tagen Arbeitsunfähigkeit beim Arbeitgeber eingereicht werden.  

    Wenn eine Arbeitsunfähigkeit nicht nur von geringer und vorübergehender Dauer ist, lohnt es sich, mit dem Arzt oder der Ärztin Art und Ausmass der Arbeitsunfähigkeit abzusprechen. Es hilft in der Regel wenig, wenn von den Medizinern eine Arbeitsunfähigkeit nur aus Gefälligkeit attestiert wird; denn die Ärzte müssen in ihren Berichten gegenüber den Versicherern (Krankentaggeldversicherung, IV) die von ihnen attestierte länger dauernde Arbeitsunfähigkeit auch überzeugend begründen können. Sie sollten zudem klarstellen, was sie unter einer Arbeitsunfähigkeit genau verstehen: Ist ihrem Patienten bloss eine weniger lange Arbeitszeit zuzumuten oder besteht aus ihrer Sicht auch eine gesundheitlich bedingte Leistungsreduktion während der Präsenz am Arbeitsplatz?

    Beispiel

    Herr P hat bisher als Sachbearbeiter in einer Versicherungsgesellschaft gearbeitet. Seit zwei Jahren verschlechtert sich sein Sehvermögen in erheblichem Mass. Trotz angepasster Hilfsmittel vermag er nicht mehr die von ihm erwartete Leistung zu erbringen. Es geschehen öfter Fehler und abends leidet er an Spannungskopfschmerzen.
    Herr P bespricht seine Probleme mit dem Augenarzt eingehend, welcher ihm schliesslich eine 50%-Arbeitsunfähigkeit attestiert. Der Arzt präzisiert in seinem Bericht zu Handen des Arbeitsgebers, dass Herr P nach wie vor jeden Tag arbeiten könne, die Arbeit aber auf 6 Stunden täglich reduzieren müsse. Hinzu komme, dass durch die Sehbehinderung eine Verlangsamung in der Arbeit verursacht werde. Insgesamt resultiere eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit von 50%. Herr P erhält gestützt auf dieses Arztzeugnis fortan noch einen halben Lohn und zusätzlich ein Krankentaggeld für eine 50%-Arbeitsunfähigkeit.

    Dauert eine Arbeitsunfähigkeit längere Zeit, so prüfen die Taggeldversicherer, ob es der betroffenen Person nicht möglich wäre, ihre Arbeitsfähigkeit in einer anderen beruflichen Tätigkeit besser zu verwerten. Ein entsprechender Berufswechsel wird im Sinn der Schadenminderungspflicht als zumutbar erachtet. Die behandelnden Ärzte oder Ärztinnen werden dann regelmässig aufgefordert, sich zur Arbeitsfähigkeit in einer „leidensangepassten“ beruflichen Tätigkeit zu äussern. Gelangen sie zur Auffassung, dass die Arbeitsunfähigkeit auch in einer anderen Tätigkeit weiterhin besteht, müssen sie dies überzeugend begründen, sonst holen die Versicherer unter Umständen ein Gutachten bei einem Vertrauensarzt ein. Auch im Hinblick auf diese ärztlichen Folgeatteste ist es wichtig, mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin ein offenes Gespräch zu führen.

    Anspruch auf Krankentaggelder

    Die meisten Arbeitgeber in der Schweiz haben für ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eine Kollektiv-Krankentaggeldversicherung abgeschlossen, welche im Fall einer Arbeitsunfähigkeit von einem bestimmten Ausmass (in der Regel mindestens 25%) ein Taggeld von üblicherweise 80% des entfallenden Lohnes entrichtet.

    Das ist nicht selbstverständlich, da es in der Schweiz nach wie vor kein gesetzliches Obligatorium gibt. Immerhin bestehen in verschiedenen Branchen, wie z.B. der Baubranche und der Gastwirtschaftsbranche, Gesamtarbeitsverträge, welche die Arbeitgeber zum Abschluss einer Kollektiv-Krankentaggeldversicherung verpflichten. Ausserhalb des Bereichs dieser Gesamtarbeitsverträge kommt es aber immer wieder vor, dass vor allem kleinere Betriebe auf den Abschluss einer Taggeldversicherung verzichten.  

    Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben ein Recht zu erfahren, bei welcher Versicherungsgesellschaft der Arbeitgeber die Kollektivversicherung abgeschlossen hat und welches die Versicherungsbedingungen im Einzelnen sind. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, die entsprechenden Informationen zu liefern und auf Wunsch ein Exemplar der massgebenden allgemeinen Versicherungsbedingen (AVB) auszuhändigen. Das „Kleingedruckte“ ist oft von wesentlicher Bedeutung: So wird beispielsweise in gewissen Verträgen festgehalten, dass bei einer Arbeitsunfähigkeit, welche auf eine bei Beginn des Arbeitsvertrages bereits bestehende Krankheit zurückzuführen ist, nur während einer beschränkten Zeit Taggelder ausgerichtet werden.  

    Hat sich ein Arbeitgeber im Arbeitsvertrag zum Abschluss einer Kollektiv-Krankentaggeldversicherung verpflichtet (resp. ist er aufgrund eines Gesamtarbeitsvertrags hierzu verpflichtet), tut er dies aber nicht, so kann ein Arbeitnehmer, der für längere Zeit arbeitsunfähig geworden ist, vom Arbeitgeber Schadenersatz in der Höhe des entgangenen Taggeldes verlangen.

    Beispiel

    Frau S hat einen Arbeitsvertrag abgeschlossen, in welchem der Abschluss einer Kollektiv-Krankentaggeldversicherung zugesichert worden ist. Frau S erkrankt an einem Tumor und wird arbeitsunfähig. Frau S erfährt nun, dass der Taggeldversicherer den Kollektivvertrag gekündigt hat, weil der Arbeitgeber mit den Prämien in Verzug geraten ist.
    Der Arbeitgeber hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag verletzt und wird dafür schadenersatzpflichtig. Frau S kann von ihm verlangen, dass er dieselben Leistungen entrichtet, welche der Taggeldversicherer bezahlt hätte.

    Wird ein Krankentaggeld bezahlt, so ist der Arbeitgeber von seiner Lohnfortzahlungspflicht entbunden. Soweit er keinen Lohn mehr bezahlt, muss er auch keine Sozialversicherungsbeiträge (insb. AHV/IV/EO-Beiträge) überweisen. Die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer muss sich dann selbst um die Entrichtung von Nichterwerbstätigenbeiträgen an die Ausgleichskasse kümmern. Dies ist wichtig, damit keine Beitragslücken entstehen, die später zu Leistungseinbussen führen. Oft kommt es aber vor, dass der Arbeitgeber – zumindest für eine gewisse Dauer – weiterhin den Lohn bezahlt und auch Sozialversicherungsbeiträge entrichtet.  

    Die weiteren für die Krankentaggeldversicherung massgebenden Regeln finden sich im Kapitel „Krankentaggeld“.

    Anspruch auf Taggelder der Unfallversicherung

    Alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Berufsunfälle sind in jedem Fall, also auch bei Kleinstpensen und unregelmässiger Arbeit versichert. Nichtberufsunfälle sind demgegenüber nur versichert, wenn die Arbeitszeit einer Person bei einem Arbeitgeber mindestens acht Stunden pro Woche beträgt.

    Die Unfallversicherung wird vom Arbeitgeber abgeschlossen. Er kann zusätzlich zur obligatorischen Versicherung Zusatzversicherungen abschliessen, insbesondere um den Lohnanteil zu versichern, der über den obligatorisch zu versichernden Anteil hinausgeht. Die Arbeitnehmer haben ein Recht zu erfahren, bei welcher Versicherung sie gegen Unfälle versichert sind.  

    Tritt eine Arbeitsunfähigkeit als Folge eines Unfalls ein, bezahlt die Unfallversicherung ab dem 3. Tag ein Taggeld von 80% des Lohnes. Dies ist auch bei einer Teilarbeitsunfähigkeit der Fall, das Taggeld reduziert sich entsprechend.  

    Das Taggeld wird solange bezahlt, als eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit besteht und von der medizinischen Behandlung eine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustands erwartet werden kann. Ist letzteres nicht mehr der Fall, muss der Unfallversicherer entscheiden, ob ein Rentenanspruch besteht.  

    Wird ein Taggeld der Unfallversicherung bezahlt, ist der Arbeitgeber von seiner Lohnfortzahlungspflicht entbunden. Soweit er keinen Lohn mehr bezahlt, muss er auch keine Sozialversicherungsbeiträge (insb. AHV/IV/EO-Beiträge) entrichten. Die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer muss sich dann selbst um die Entrichtung von Nichterwerbstätigenbeiträgen an die Ausgleichskasse kümmern. Dies ist wichtig, damit keine Beitragslücken entstehen, die später zu Leistungseinbussen führen. Oft kommt es aber vor, dass der Arbeitgeber – zumindest für eine gewisse Dauer – weiterhin den Lohn bezahlt und auch Sozialversicherungsbeiträge überweist.  

    Weitere für das Unfalltaggeld massgebende Regeln finden sich im Kapitel „Unfalltaggeld“.

    Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers

    Wird eine Person arbeitsunfähig und entsteht weder ein Anspruch auf ein Krankentaggeld noch auf ein Unfalltaggeld, muss der Arbeitgeber bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit den Lohn im 1. Dienstjahr während 3 Wochen und danach für eine „angemessene längere Zeit“ entrichten.

    So steht es im Gesetz. Diese gesetzliche Regelung gelangt allerdings nur zur Anwendung:

    • wenn das Arbeitsverhältnis mehr als 3 Monate gedauert hat oder für mehr als 3 Monate eingegangen worden ist
    • und wenn im Einzelarbeitsvertrag keine längere Lohnfortzahlung vereinbart worden ist
    • und wenn keine längere Lohnfortzahlungspflicht im Rahmen eines anwendbaren Gesamtarbeitsvertrags vorgeschrieben wird

    Was bedeutet eine „angemessene längere Zeit“? Die Gerichte haben diese Bestimmung in unterschiedlichen Skalen (Berner Skala, Zürcher Skala, Basler Skala) präzisiert, welche in den einzelnen Kantonen der Schweiz zur Anwendung gelangen. Das bedeutet, dass die Lohnfortzahlung je nach Kanton unterschiedlich lang dauern kann. Welche der 3 Skalen am jeweiligen Arbeitsort massgebend ist, erfährt man beim örtlich zuständigen Arbeits- oder Zivilgericht.  

    Als Beispiel sei die Berner Skala wiedergegeben, welche am häufigsten zur Anwendung gelangt: Im 1. Dienstjahr muss der Lohn bei Arbeitsunfähigkeit während 3 Wochen weiter bezahlt werden, im 2. Dienstjahr während eines Monats, im 3. und 4. Dienstjahr während 2 Monaten, im 5. bis 9. Dienstjahr während 3 Monaten, im 10. bis 14. Dienstjahr während 4 Monaten, usw.

    Beispiel

    Herr T arbeitet bereits 5 Jahre und 2 Monate in der Firma X, als er für längere Zeit arbeitsunfähig wird. Im Arbeitsvertrag ist zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nichts geregelt. Es besteht auch kein Gesamtarbeitsvertrag für dieses Arbeitsverhältnis. Auch hat die Firma für ihre Arbeitnehmenden leider keine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen.      
    Die Lohnfortzahlung richtet sich bei diesem Arbeitsverhältnis somit nach den gesetzlichen Bestimmungen des OR. Weil die Firma X im Kanton Bern ansässig ist, ist die Berner Skala massgebend. Gemäss dieser besteht im 6. Dienstjahr eine Lohnfortzahlungspflicht von maximal 3 Monaten.

    Sämtliche Absenzen im selben Dienstjahr werden jeweils zusammengezählt. Im folgenden Dienstjahr beginnt der Anspruch auf Lohnfortzahlung von neuem.

    Beispiel

    Herr T ist nach 5 Jahren und 2 Monaten für 10 Wochen arbeitsunfähig geworden. Danach hat er die Arbeit wieder aufgenommen. Kurz vor Beginn des 6. Dienstjahres erkrankt er erneut. Diesmal bleibt er für längere Zeit arbeitsunfähig.      
    Herr T hat im 5. Dienstjahr nur noch während einer relativ kurzen Zeit Anspruch auf Lohnfortzahlung. Sobald er das 6. Dienstjahr erreicht hat, entsteht aber erneut ein Anspruch auf Lohnfortzahlung während 3 Monaten.

    Bei einer teilweisen Arbeitsunfähigkeit verlängert sich der Anspruch auf Lohnfortzahlung nach herrschender Lehre und gemäss gerichtlicher Praxis entsprechend. Das Bundesgericht hat über diese Frage allerdings bis heute noch nicht entschieden.

    Beispiel

    Frau G ist seit 8 Monaten angestellt, als sie erkrankt. Sie wird von ihrem Arzt für 14 Tage zu 100% arbeitsunfähig geschrieben, dann für weitere 4 Wochen zu 50%. Es besteht im Betrieb keine Krankentaggeldversicherung.
    Frau G hat im 1. Dienstjahr einen gesetzlichen Anspruch auf Lohnfortzahlung von maximal 3 Wochen. In diesem Fall erhält sie ihren Lohn während insgesamt 4 Wochen voll ausbezahlt (während 2 Wochen 100%-Arbeitsunfähigkeit und 2 Wochen 50%-Arbeitsunfähigkeit). Während der letzten 2 Wochen ihrer teilweisen Arbeitsunfähigkeit erhält sie nur noch einen 50%-Lohn ausbezahlt.

    Wann soll eine IV-Anmeldung erfolgen?

    Dauert eine Arbeitsunfähigkeit längere Zeit und ist damit zu rechnen, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung bestehen bleibt und die frühere Arbeit nicht mehr im bisherigen Ausmass weiter geleistet werden kann, sollte eine IV-Anmeldung ernsthaft geprüft werden.

    Eine solche IV-Anmeldung ist immer dann zu empfehlen, wenn mit dem Arbeitgeber keine dem Gesundheitszustand angepasste Lösung für die Weiterführung der Tätigkeit im Betrieb gefunden werden kann. In solchen Fällen können die Berufsfachleute der IV unter Umständen weiterhelfen: Sie können die versicherte Person sowie den Arbeitgeber beraten, wie der Arbeitsplatz besser angepasst werden könnte. Auch können sie veranlassen, dass die Kosten für eine Umschulung auf eine andere Tätigkeit im Betrieb oder für Hilfsmittel zur besseren Anpassung des Arbeitsplatzes übernommen werden.

    Beispiel

    Herr S arbeitet in der Buchhaltung einer kleineren Firma und erleidet einen Bandscheibenvorfall. Zwar arbeitet er weiterhin in seinem 100%-Pensum, doch die Schmerzen nehmen immer mehr zu und es kommt öfter zu schmerzbedingten Ausfällen. Herr S meldet sich deshalb bei der IV an. Da der behandelnde Arzt vermehrtes Arbeiten im Stehen empfiehlt, finanziert die IV Herrn S im Rahmen einer Frühinterventionsmassnahme ein Stehpult. Dadurch kann Herr S sowohl seinen Arbeitsplatz als auch sein Arbeitspensum beibehalten.

    Beispiel

    Frau T arbeitet in einer Fensterfabrik. Aufgrund einer Arthrose im Schultergelenk kann sie ihre handwerkliche Tätigkeit nicht mehr ausüben. Da der Arbeitgeber Frau T weiterhin beschäftigen möchte, übernimmt die IV im Rahmen einer Frühinterventionsmassnahme die Finanzierung eines dreimonatigen Informatikkurses. Nach Absolvierung dieses Kurses kann Frau T in der Lagerverwaltung und für weitere administrative Arbeiten eingesetzt werden. Sie kann somit unter Beibehaltung ihres Lohnes und ihres Arbeitspensums weiterhin in der Fensterfabrik tätig sein.

    Eine IV-Anmeldung sollte spätestens dann erfolgen, wenn eine Arbeitsunfähigkeit bereits 6 Monate gedauert hat, denn ein allfälliger IV-Rentenanspruch entsteht immer erst 6 Monate nach der IV-Anmeldung. Wer sich zu spät anmeldet, verliert einen Teil der ihm zustehenden IV-Rente, welche nach einer Wartefrist von einem Jahr ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit entsteht.

    Beispiel

    Frau A ist vor 6 Monaten schwer erkrankt und seither zu 100% arbeitsunfähig geschrieben. Sie bezieht von der Krankentaggeldversicherung ihres Arbeitgebers ein Taggeld von 80% des Lohnes. Auch wenn berufliche Massnahmen vorderhand nicht in Frage kommen, sollte sich Frau A ohne Verzug bei der IV anmelden. Vermutlich wird sie auch von ihrem Taggeldversicherer spätestens zu diesem Zeitpunkt hierzu aufgefordert. Widersetzt sich Frau A einer solchen Aufforderung des Taggeldversicherers, kann dieser seine Leistungen kürzen oder gar einstellen.

    Anpassung des Arbeitsvertrags?

    Dauert eine Arbeitsunfähigkeit längere Zeit und ist nicht mehr damit zu rechnen, dass die betroffene Person in der bisherigen Tätigkeit wieder voll arbeitsfähig wird, schlagen Arbeitgeber oft eine Anpassung des Arbeitsvertrags vor: Mit dieser Anpassung sollen die Funktionen neu umschrieben und das Pensum sowie der Lohn der eingeschränkten Arbeitsfähigkeit angepasst werden. Dass ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer resp. seine Arbeitnehmerin trotz eingeschränkter Arbeitsfähigkeit weiterhin beschäftigen will, ist grundsätzlich erfreulich. Dennoch gilt es gewisse Fragen zu klären, bevor ein neuer Arbeitsvertrag unterzeichnet wird.

    Unproblematisch ist die Unterzeichnung eines neuen Arbeitsvertrags, wenn die maximale Dauer des Anspruchs auf Krankentaggelder (in der Regel 720 Tage) ausgeschöpft ist. In diesem Fall muss einzig sichergestellt werden, dass das Gesuch um Gewährung einer Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge bei der Pensionskasse deponiert ist und dass der Anspruch aufgrund des bisherigen Vertrags bzw. des bisherigen versicherten Verdienstes beurteilt wird.  

    Problematischer ist es hingegen, wenn der Arbeitgeber eine Anpassung des Arbeitsvertrags schon nach kürzerer Zeit vorschlägt. In diesem Fall sollte der neu formulierte Vertrag nur unterzeichnet werden, wenn der Arbeitgeber schriftlich garantiert, dass die Anpassung des Vertrags aus gesundheitlichen Gründen erfolgt, dass der (noch nicht ausgeschöpfte) Taggeldanspruch weiter besteht und dass im Falle des Eintritts einer Invalidität die Ansprüche gegenüber der Pensionskasse sich nach dem bisherigen Vertrag bemessen. In solchen Situationen empfiehlt es sich, rechtlichen Rat einzuholen, bevor ein neuer Vertrag unterzeichnet wird.

    Beispiel

    Frau T arbeitet seit 12 Jahren in einer Vertriebsfirma. Sie ist vor einem Jahr wegen eines Nierenleidens zu 50% arbeitsunfähig geworden und bezieht seither ein Krankentaggeld. Mit einer Verbesserung des Gesundheitszustandes ist in nächster Zeit leider nicht zu rechnen. Ein Rentengesuch ist bei der IV bereits eingereicht worden. Der Arbeitgeber schlägt Frau T nun vor, dass sie in eine andere Abteilung der Firma wechselt und dass neu ein Arbeitspensum von 50% festgelegt wird. Ein entsprechender neuer Arbeitsvertrag wird ihr unterbreitet.
    Frau T sollte diesen neuen Vertrag nur unterzeichnen, wenn einerseits klargestellt wird, dass die Vertragsänderung aus gesundheitlichen Gründen erfolgt, und andererseits der Arbeitgeber schriftlich garantiert, dass das bisherige 50%-Taggeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs weiter ausgerichtet wird und sich ein allfälliger Anspruch auf eine Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge aufgrund der bisherigen Versicherungsbedingungen bestimmt.

    Niemand ist verpflichtet, einer Änderung des Arbeitsvertrags zuzustimmen. Wer sich weigert dies zu tun, muss allerdings damit rechnen, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nach der gesetzlichen Sperrfrist und unter Einhaltung der massgebenden Kündigungsfristen auflöst. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass gewisse Gesamtarbeitsverträge eine Kündigung nicht erlauben, solange eine Person ein Krankentaggeld bezieht.

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